Ja, es geht (auch) um Freiheit, wenn Du Dich vor Burnout schützen willst.

In meinem Vortrag vor einer großen Gruppe von selbstständigen Führungskräften beim Bund Deutscher Nachlasspfleger in dieser Woche ging es um Burnoutprävention.

Es war gerade mucksmäuschenstill in dem Vortragssaal. Alle hörten zu und dachten nach.

Eine Zuhörerin rief mir zu: Freiheit? Was für eine Freiheit meinen Sie?

Ich sprach gerade darüber, dass die Forschung schon seit vielen Jahren auf besondere Risikofaktoren für die Entwicklung von Burnout hinweist. Ein solcher Risikofaktor ist die Wahrnehmung betroffener Personen, nur geringen Gestaltungsspielraum zu haben.

Wenn ohnehin schon chronischer Stress wütet, ist das gleichzeitige Erleben von Hilflosigkeit ein Brandbeschleuniger.

Auf den Punkt gebracht: Ist mein Alltag ohnehin schon stressreich, führt das neben einer Aushöhlung von körperlichen Ressourcen zu vermehrter Wahrnehmung negativer Gedanken und Gefühle. Dabei handelt es sich um einen Zustand, der sich wechselseitig verstärkt. Die Stressreaktion wird dadurch aufrechterhalten.

Stressverschärfende Verhaltensweisen, wie hastiges und ungeduldiges Verhalten, Betäubung durch Rauschmittel oder belohnende Verhaltensweisen (wie z.B. Arbeiten!), gereiztes Auftreten, unstrukturiertes Arbeiten verschlimmern die Lage der betroffenen Person.

Dennoch können Menschen solche stressintensiven Phasen über einen gewissen Zeitraum aushalten, ohne krank zu werden. Dafür nutzen sie – meist unbewusst – psychologische Pufferfaktoren.

Ein solcher Pufferfaktor ist die Wahrnehmung von Freiheit, oder auch:
⇒ Autonomie,
⇒ Selbstbestimmtheit,
⇒ Kontrolle,
⇒ Gestaltungsspielraum.

Auch ohne chronischen Stress benötigen die meisten Menschen zur Aufrechterhaltung ihrer Motivation die Wahrnehmung, ausreichend frei entscheiden zu können. (Was ausreichend ist, entscheidet das Individuum selbst. So gibt es Menschen, die sehr viel Wert auf ihre Selbstbestimmtheit legen und andere, die ihre Kontrolle gerne auch einmal abgeben, dennoch aber die grundsätzliche Wahrnehmung brauchen, frei entscheiden zu können.)

Was bedeutet „Freiheit im Arbeitsleben“? Selbstverständlich kann es nicht sein, dass jeder Mensch im Team seinen eigenen Stiefel fährt.

Freiheit im Arbeitsleben setzt erst einmal voraus, dass wir uns bewusst machen, dass jeder Mensch autonom und frei ist und dass wir – auch wenn wir die Führungsverantwortung übernommen haben – kein Recht darauf haben, ihm diese Freiheit zu nehmen.

Freiheit im Arbeitsleben bedeutet, dass wir

  • die nötigen Regeln und Prozesse einhalten, aber auch gemeinsam hinterfragen und erneuern,
  • Mitarbeitende ernst nehmen und mit Interesse ihre Kritik einholen,
  • unsere Teammitglieder aktiv führen, d.h. wir gehen in Beziehung,
  • unsere Mitarbeitenden nicht „betüdeln“, d.h. ihnen alles abnehmen, die schwierigen Dinge allein machen,
  • Verantwortung ins Team zurückgeben, statt Micromanager:in zu sein, und
  • für sichere Bedingungen sorgen, so dass sich Freiheit entfalten kann.

Es geht um die individuelle Wahrnehmung, die Führungskräfte unterstützen, aber nicht völlig steuern können. Der Zusammenhang von Burnoutprävention und Freiheit bedeutet für die Teammitglieder, dass sie sich auch eigenverantwortlich verhalten, sich gestaltend einbringen, ihren Führungskräften Feedback geben und äußern, wo sie sich mehr Gestaltungsmöglichkeiten wünschen. Führungskräfte können auch hierfür Gelegenheiten schaffen, z.B. in regelmäßigen Teammeetings und Teamentwicklung.

Wichtig:
Freiheit im Arbeitsleben bedeutet auch, dass sich Führungskräfte selbst ihren Gestaltungsspielraum bewahren, die Grenzen ihrer eigenen Verantwortlichkeit reflektieren, ihre Rolle bewusst gestalten und Persönliches schützen, dass sie Pausen machen, Dinge nicht immer sofort klären, sondern lernen, hin und wieder auch einen Schritt zurückzutreten und darauf Acht geben,

dass sie selbst Menschen sind.

Herzliche Grüße
Dörthe Dehe

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